Festliegen - Wenn das Pferd auf einmal nicht mehr aufstehen kann

Von Reitsport

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Am letzten Freitag stockte mir der Atem, als ich meinen Senioren wie eine hilflose (auf dem Rücken liegende) Schildkröte, auf dem Hallenboden liegen sah.

Der kleine Unterschied zu einer meiner Schildkröte bestand jedoch darin, dass diese sich in den meisten Fällen selber wieder umdrehen kann, doch Special hätte sich aus dieser misslichen Lage nicht mehr alleine befreien können.

Doch wie verhält man sich am besten, wenn ein Pferd sich festgelegen hat?

Definition vom Festliegen

Festliegen eines Pferdes bedeutet, dass das Pferd nicht aufstehen kann, was im ersten Moment nicht allzu dramatisch tönt, kann aber durchaus schwere Folgen mit sich bringen. Denn Pferde sind zu schwer, um ohne Folgeschäden viele Stunden in derselben Position liegen bleiben zu können.

Wenn Pferde längere Zeit, unbeweglich, in unnatürlicher Position liegen, besteht ferner die Gefahr, dass Nerven an ungeschützten Stellen gequetscht werden und Muskeln sich entzünden. Andererseits dürfen Pferde deshalb auch nicht sofort mit Gewalt aufgetrieben werden, weil hierbei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintreten könnte.

Ursache des Festliegens

Beim mechanischen festliegen ist es dem Pferd nicht möglich aufzustehen, weil:

-die Lage des Pferdes ein Aufstehen verhindert (zu nahe an der Boxen- oder Stallwand, Sturz im Hänger)

- sie unter oder in ein Hindernis geraten ist (wenn das Pferd beim Wälzen im Weidezaun hängen bleibt)

-es den Boden unter den Füssen verloren hat (Pferd bricht auf einem morschen Holzsteg ein oder bleibt beim Sturz in einen Graben in mehr oder weniger Rückenlage liegen.

Erste Massnahmen

Bis die Helfer mit Hilfsmaterialien oder sogar der Tierarzt eintrifft, kann das Festliegen mit folgenden Massnahmen gelindert werden:

-Im Sommer müssen die in praller Sonne festliegenden Pferde mit Schatten ausgerüstet werden. (Plane aufspannen, Schatten werfendes Fahrzeug neben das Pferd fahren). Im Winter bei eisiger Kälte müssen diese eingedeckt werden, um für einen entsprechenden Temperaturausgleich zu sorgen.

-Druckgefährdete Stellen müssen mit Stroh oder Decken gepolstert werden.

-Ausrüstungsgegenstände (Sattel, Zäumung etc.) müssen gelockert bzw. wenn möglich ausgezogen werden.

-Offene Wunden sind notfallmässig zu versorgen.

-Um das Pferd bei plötzlichen Aufstehversuchen gefahrlos halten zu können, empfiehlt es sich, dem Pferd ein Halfter mit einem langen Strick oder einer Longe anzulegen.

-Das Pferd so gut wie möglich beruhigen:

Mechanisch festliegende Pferde erweisen sich häufig als sehr unruhig und versuchen durch Zappeln, Schlagen und Wälzen sich aus ihrer unangenehmen Lage zu befreien.

Dies kann für das Pferd (Kreislauf, Verletzungen) und für die Helfer (Tritte) gefährlich werden und die Befreiungsversuche erschweren.

Als Halter/Helfer sollte man selbst eine innere Ruhe ausstrahlen und keine ansteckende Panik. Wenn möglich sollte eine Vertrauens- und Bezugsperson des Pferdes bei dem Pferd bleiben und durch dauernde Zuwendung in Form von Ansprache und Streicheln beruhigend einwirken. Auch bestimmte Massagetechniken/-griffe können entspannend bis schmerzstillend wirken. Die Verabreichung von Notfall-Tropfen (Rescue Remedies) aus der Bachblüten-Therapie für Pferd (und auch Mensch) kann empfehlenswert sein.

Alle oben genannten Massnahmen sowie die Befreiungsversuche sollten nach Möglichkeit immer im sichtbaren Bereich des Pferdes angegangen werden, damit das Pferd durch keine Aktion überrascht wird. In schweren Fällen ist nach Eintreffen des Tierarztes eine Sedation erforderlich.

Die Bergung

Ist das Pferd beim Wälzen unter einen Zaun geraten, empfiehlt es sich den Zaun abzubauen.

Beim Sturz im Hänger kann die Zwischenwand entfernt werden.

Liegt das Pferd vor oder in einem nicht entfernbaren Hindernis, muss das Pferd bewegt werden.

Liegen Pferde in einer Boxenecke oder vor einer Stallwand fest, genügt oft ein einfaches Wenden des Pferdes auf die andere Seite. Zu diesem Zweck werden an den unten liegenden Beinen möglichst dicke Seile - Führstricke und Longe tun's im Notfall auch - an den Fesselbeugen mit nicht weiter zuziehenden Schlingen befestigt - dabei auf strampelnde und schlagende Beine achten -, mit deren Hilfe mehrere Personen per Zug das Pferd dann auf die andere Seite drehen.

Wenn das Pferd geborgen ist, muss es in der Regel vom Tierarzt auf Verletzungen, Nervenschäden und Brüche untersucht werden. Eventuell sind auch Infusionen zur Vermeidung eines Kreislaufschockes durch zu langes Festliegen erforderlich.

Folgen von Festliegen

-Schädigung der inneren Organe durch das Eigengewicht des Pferdes.

Je nach Lage und Körperposition des Pferdes ist die Gefahr grösser oder kleiner einzuschätzen. Bei einer Rückenlage, wie sie bei einem Sturz in einen engen Graben oder Schacht auftreten kann, drücken die Baucheingeweide stärker auf Herz und Lunge, als bei einer Seitenlage vor einer Wand oder unter einem Hindernis. Verkleinert das Pferd durch eine ungünstige Körperposition noch zusätzlich den Bauchraum wird der Druck auf die Organe grösser.

-Lähmungserscheinungen durch abgeklemmte Nervenbahnen und entzündete Muskeln

Besonders gefährdet sind die Nerven im Bereich des Kopfes und der Beine, da diese Bereiche ungeschützt und mit wenig Muskulatur gepolstert sind, sowie die Nerven und Muskeln im Rückenbereich bei verdrehter Körperposition. Die Lähmungserscheinungen können temporär sein, aber auch irreparable Schäden hinterlassen.

-Verletzungen und Erschöpfungszustände bis zum Herzversagen als Folge von Befreiungsversuchen. Gefährdet sind insbesondere nervöse Pferde, die leicht in Panik geraten können.

Die Gefahr von Schäden ist demnach umso grösser, je länger das Festliegen andauert, je ungeschickter die Körperposition des Pferdes ist und je unruhiger das Pferd sich verhält.

Regelmässige Kontrollen im Stall

Häufige Kontrollen im Stall und auf der Weide können zwar kein Festliegen verhindern, aber seine Dauer und damit die Schwere der Folgen für das Pferd minimieren.

Wie man es nicht machen sollte

… und somit wieder zurück zu meinem aktuellen Fall. Special merkte (zum Glück) sofort, dass er sich nicht mehr alleine befreien kann und blieb vollkommen ruhig. Als sich ein anderes Pferd bei uns im Stall einmal festgelegen hatte, geriet es vollkommen in Panik und zerrte sich dabei eine Sehne im Hinterbein schwer.

Also geriet ich am Freitag wiederum in Panik und war sehr froh, dass Michel dabei war! Er handelte sofort. (Aber bitte nicht nachmachen ;-) er ging zu Special hin und versuchte ihn zuerst an den Vorderbeinen von der Wand zu schieben, als das nicht klappte, hob er ihn am Brustkasten an, auf die andere Seite. Dann reagierte auch Special wieder und drehte sich komplett, bis er wieder aufstehen konnte.

Special war ihm danach sichtbar dankbar! Und auch ich war froh, dass dies alle gesund überstanden haben. Für Michel war es natürlich ein grosser, aber auch riskanter Vertrauensbeweis.